Kunst in Bahnen lenken

22. August 2002
von Patrick Armbruster

Meine Güte! Wann werden die endlich einmal begreifen, dass zur Kunst das Leiden gehört? Ich denke still an das T-Shirt eines depressiven Bekannten mit der Aufschrift: "Kafka war auch nicht glücklich." Doch ich sehe die 'Kunst' des Ausstellers. Fröhliche Farben, viele Smileys. Gelb ist der Haupteindruck der Gemälde. Ernüchterte Besucher der Ausstellung gehen wieder. Sie denken an den Eintrittspreis, stelle ich mir vor. Da ich selbst mit dem Besitzer der Galerie befreundet bin, kümmert mich das nicht. Ich gehe in den einzigen anderen Raum, wo man raucht und Prosecco trinkt (gratis, bzw. im Eintritt inbegriffen). Ich stecke mir eine Zigarette an, küsse eine Kollegin grüssend auf beide Wangen und frage sie nach ihrer Meinung, die mich tatsächlich interessiert. "Er scheint nicht gerade sehr traurig zu sein," bestätigt sie mich. Wir fragen uns, ob es ihm helfen könnte, würde ich mit seiner Freundin schlafen. "Da wäre ich dabei," sagt meine Kollegin und deutet auf Veronika, die sexy Freundin des Künstlers. Wir gehen zu ihr hin und fragen sie ein wenig aus. Sie erinnert mich entfernt an eine Kleiderboutique-Angestellte mit ihrem kühlen Lächeln und dem überheblich angehobenen Kopf. Ich erlaube mir, ihr den Seitensprung zu dritt offen anzubieten: "Möchtest du kurz mit uns beiden aufs Klo kommen?" Die kurze Betroffenheit beider Frauen weicht überraschenderweise Interesse, und wir gehen zur Toilette, wo wir uns in einer Kabine einschliessen. Als ich in Veronika eindringe, verlässt meine Kollegin die Toilette und holt den Künstler. Seit jenem Abend in der Galerie hat der Künstler keine Bilder mehr gemalt. Er hängt noch sehr an Veronika, hasst sie zugleich und hat begonnen, seinen Schmerz in Gedichten wegzuschreiben. Und die sind - so sagt meine Kollegin, die jetzt ab und zu bei ihm übernachtet - gar nicht mal so schlecht.




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