Ich will einmal nen Slam gewinnen

von Renato Kaiser

Wieviel mal hab ich's versucht, und nie ist's was geworden,
noch keinen Sieg hab' ich verbucht, hab' Lust wen zu ermorden,
auch wenn alles ich gegeben hab, einer stets dazwischenfunkte,
der hielt das Publikum auf Trab, und erntete drum viel mehr Punkte,
Ok, meistens waren's mehr als einer, die besser war'n als ich,
und allzu oft war schlechter keiner, aber darum geht's jetzt nich!

Denn ich will mal 'nen Slam gewinnen, und das am besten gleich hier drinnen,
der Rest, der ist mir piepegal, nur die Niederlage wär' fatal.

"Niederlage? Beim Slam, da gibt's keine Verlierer, und das weiss doch jedes Kind",
sagen immer jene Slammer, die am Schluss die Sieger sind.
Es sei der Vortrag allgemein, welcher ständ' im Vordergrund
So und nicht anders soll es sein, tun sie gerne kund.
Gequirlte Scheisse! sag ich drum, Das ist doch alles Heuchlerei!
Hält ihr mich für so saudumm, ihre redet um den heissen Brei!
Es geht nicht um die hohe Kunst, was wirklich zählt, das ist der Sieg,
entscheidend ist der Jury Gunst, alles mach' ich, dass ich sie krieg.

Denn ich will mal 'nen Slam gewinnen, und das am besten gleich hier drinnen,
der Rest, der ist mir scheissegal, nur die Niederlage wär' fatal.

Wie viel Anläuf' hab' ich schon genommen, wie viel mal hat's nix gebracht,
den Slam-Thron hab' ich nie erklommen, Sorgen hab ich mir gemacht,
beinah ein Feuer dann entfacht, aus meinen Texten, ich war so aufgebracht,
an's Aufhör'n hab ich gar gedacht
doch dann erschien mir in der Nacht...
Goethe, der Meister aller Schreiberlinge! Mein Erlöser! Mein Retter! Mein Gabriel Vetter!
Der erklärt mir sicher ein paar Dinge, damit ich aufs Siegerpodest kletter'.
Gespannt schaut' ich zu ihm empor, vor Ehrfurcht unfähig, was zu fragen,
"Was willst du nun, elender Tor", zwang er mich was zu sagen:

Ich..., ich..., ich will einmal 'nen Slam gewinnen, ich bin darum schon ganz von Sinnen,
der Rest, der wär' mir sch..., wirklich egal, nur die Niederlage wär' fatal...

Ernst schaut' er auf mich herab, "Ist das alles" fragt' er mich knapp.

Nein... Ich will Patrick Armbruster mit verbaler Armbrust an die Wand nageln, den Mathi Frei will ich einsperren, den Richi Küttel abschütteln, wie eine lästige Fliege, auf dass ich endlich siege, Ato Meiler will ich um Meilen schlagen, den Etrit mit einem Tritt vom Podest jagen, schauen, dass Matze B keine Mätzchen mehr macht, ich will die andern in den Wahnsinn treiben, mir jeden Slam-Sieg einverleiben, immer an der Spitze bleiben, FETTER ALS DER VETTER SCHREIBEN!!

In tiefe Runzeln legte Goethe seine Stirn,
"lang hab ich dich schon betrachtet,
auf all dein Ausgestossnes geachtet,
übernachtet,
hab' ich in deinem Hirn..."

Eine dramatische Pause folgte darauf, doch die nahm ich gern' in Kauf,
Goethe hilft mir aus der Misere, und sichert meine Slam-Karriere,
Doch der Satz, der brennt,
auf Goethes Zunge,
heisst: "Junge,
du hast kein Talent".

Ich konnt's nicht fassen, "das kann nicht sein!", schrie ich in die Nacht hinein
"Für die Poesie wurd' ich geboren, aus übertausenden auserkoren,
Gedanken auf Papier zu schreiben, der Nachwelt in Erinnerung bleiben,
ist meines Lebens Sinn und Zweck, und das nimmt mir niemand weg,
Auch kein verstaubter Dichter, gemeint bist du, spielt mir den Richter, ich weiss was ich tu,
was von dir ich nicht behaupten kann, hat's der Whisky dir etwa angetan?
Johann Wolfgang, ich rat dir wohl, Hände weg vom Alkohol,
er hat verwirrt dir deine Sinne, am Besten du hältst jetzt inne,
das Schreiben ist bei mir, das Überlebenselixier,
Und drum glaub mir nur:
ICH BIN DIE ZUKUNFT DER LITERATUR!
Goethe schüttelte nur den Kopf: "Was bist du für ein armer Tropf!
Hineingesteigert hast du dich, meinem Herz gibt's einen Stich,
doch trotzdem muss ich wiederholen, du bist der Poesie Dieter Bohlen."
Da platzte mir der Kragen, "von dir lass ich mir gar nichts sagen!"
MEINE Faust, lass ich dich spüren, dein Gesicht will ich pürieren,
so dass die Gretchen-Frage später heisst: "Ist das der Goethe, oder ist's doch der Kleist?"

So schlimm's kann's gar nicht um mich stehn, hast du's damals nicht gesehn?
Als ich geslammt hab zum ersten Male, kam ich in Sirnach gleich ins Finale!
"Was ist Sirnach?" fragte Goethe.
Doch ohne meine Antwort abzuwarten, rief er nun: "Halt den Mund!
Auf den Tisch leg ich die Karten, hör nun, was ich dir tu kund:"

"Die Grammatik, du Amateur, repetier sie bitte sehr,
Ein Wort muss zu dem andern passen, ist bei dir meist nicht der Fall,
darum sollst du's lieber lassen, bleib nicht am Ball,
Deine Rethorik ist nicht schick, und aufgetragen viel zu dick,
dein sprachliches Geschick, bricht jedem Hörer das Genick
zu viel ähms und hms und Unterbrüche und zu viele dümme Sprüche,
du bist nicht witzig, warf er mir vor, dir fehlt ganz einfach der Humor,
und da nützt es dir auch nichts, wenn du einmal in Reimen sprichst,
damit wirst du nicht besser schreiben, gib es auf und lass es bleiben."

Goethe verschwand daraufhin, liess mich allein im Raum,
zu denken gab mir immerhin, warum er zu mir kam im Traum,
Nach Helfen stand ihm nicht der Sinn, das war ganz klar zu sehen,
trotzdem war er in meim Zimmer drin, ich konnt's nicht ganz verstehen.
Doch langsam da verstand ich doch, trotzdem zögerte ich noch,
Hm, dass ich nen Slam gewinnen wollte, schien ihm nicht zu gefallen,
der Gedanke sich mir aufdrängen sollte, er will sich nur den Whisky krallen!
Aus Goethe, der versoffnen Sau, sprach nur die Gier der Säuferei,
Das war klar wie Morgentau, kein Fünkchen Wahrheit war dabei.
Schliesslich ist doch sonnenklar, dass ich ein Talent schon immer war!
Ich fühl mich umso mehr bestätigt, in meinem Drängen nach dem Sieg,
nachdem der Auftritt ist getätigt, ich endlich den Whisky äh, die Ehre krieg.

Denn:
Ich will einmal 'nen Slam gewinnen, und das geschieht jetzt gleich hier drinnen,
Die Niederlage wär fatal, und was Goethe sagt, ist mir egal!




dein feedback zum text (direkt an die/den autorIn):
name
e-mail

Leserbrief im Forum schreiben...


zurück zur Übersicht

Geschichten
Der Mörder vor meiner Tür
Liebe-ist-nicht-wahr!
Warum ruhst Du heute noch

Gedichte
Ich will einmal nen Slam gewinnen

story.ch mithilfe von google.com ganz einfach durchsuchen...


story.ch Newsletter

E-Mail

... und hier das Archiv der Newsletter zum Ansehen.

(Der story.ch Newsletter kann jederzeit abbestellt werden - mit dem angemeldeten Absender eine E-Mail senden.)


story.ch präsentiert: Mein|Eid, das neueste Büchlein von Patrick Armbruster. Für nur noch 7 Franken!


story.ch ist die Plattform für elektronische Verbreitung literarischer Werke junger AutorInnen. Die Themen reichen von Alltagsgrau, urbanem Leben über Liebe, Leidenschaft, Erotik bis hin zu fantastischen Märchen.

©1997-2009 by Patrick Armbruster & story.ch, die grösste Schweizer Online-Literaturplattform