Monolog mit Adolf Hitler. Oder mit David Beckham. Oder mit Dir.

von Gabriel Vetter

Ich stehe da, ich stehe da, vor Dir und frage Dich, was eigentlich so aus Piggedy und Fredderick geworden ist, na, Du weisst schon, den zwei Gutenachtgeschichts-Schweinen, na, die von früher, die kamen doch immer so gegen sechs, doch Du hast Piggeddy und Fredderick nie gesehen, und das ist schade, und Du sagst nichts, und Du weißt auch nicht, ob Wicki, von den Wickinger vom Zeichentrickfilm, ein Junge war oder ein Mädchen, weil, Du hast auch Wicki nie gesehen, und das ist schade, und es ist sehr schade, und Du sagst nichts, und ich frage Dich, Du, sag mal, frage ich Dich, sag mal, wenn man Zwilling ist, dann muss das doch schon ziemlich komisch sein, nicht wahr, ich meine, man weiss ja eigentlich nie so richtig wer man jetzt ist, weil, man könnte ja geradesogut der andere Zwilling sein, nicht wahr, was wäre jetzt, wenn die, also die zwei Zwillinge, bei der Geburt irgendwie vertauscht worden wären und der eine Zwilling eigentlich der andere Zwilling wäre, und niemand hätte es bemerkt? Aber Du verstehst mich nicht und das ist schade und Du sagst nichts und ich frage Dich, hey, sag mal, was wäre wenn, also was wäre falls, also was würdest Du tun, wenn hinter Dir da an der Coop-Kassenschlange, an irgendeiner Coop-Kassenschlange eben, oder auch an einer Migros-Kassenschlange, an irgendeiner Kassenschlange eben, was würdest Du tun, wenn da an der Kassenschlange hinter Dir ein stadtbekannt pädophiler Mädchenficker stünde, ich meine, würdest Du ihn vorlassen, weil Du eh den ganzen Tag Zeit hast und in Deinem Einkaufswagen sehr viele Sachen, während er doch nur ein paar Schokoriegel und eine Rolle Klebeband bezahlen muss? Aber Du verstehst nicht, was ich meine und Du sagst nichts, ja, und das ist schade, und ich wundere mich, dass es Leute gibt, die mit nur einer Krücke durch die Stadt humpeln, und frage Dich was Du denn so darüber denkst, über einzelne Krücken, also ob das wirklich was bringt, ich meine, wenn schon mit Krücken, dann grad mit zweien, das geht doch viel besser, aber mit einer, na ja ich weiss nicht, aber Du weißt es eben auch nicht, und Du weisst nicht was Du sagen sollst, also was Du darauf antworten sollst, da drauf, und über Krücken, also über Krücken, da sollte man nun also wirklich nicht drüber lästern, denkst Du, genausowenig wie man über Litauen lästern sollte oder über gelbe Badezimmer vielleicht, das denkst Du, aber Du sagst es nicht.
Du sagst nichts. Schade, irgendwie, und ich knie vor Dir, ich knie da, vor Dir, ja, da auf meinen Knien und frage Dich, ob Du Dir vorstellen könntest, in einem Einfamilienhaus zu wohnen, ausserhalb der Stadt, mit Garten und Sitzplatz und Wohnwand mit Glasvitrine, Eiche Massiv, und so richtig zu wohnen, weisst Du, ohne Anti-Depressiva und ohne Suizidversuche und ohne Rolf Knie, und Kinder zu haben, die Stefan heissen und Patrick heissen und Christian heissen, und in unserem Garten einen Grill zu haben und an lauen Frühlingsabenden draussen sitzenzubleiben bei Weisswein und Grilladen, oder bei Eistee und Wassermelonen und Parmaschinken im Sommer, weil das doch das Beste ist im Sommer, Wassermelone. Und Schinken passt da doch auch so richtig gut dazu, im Sommer, wenn's draussen so richtig warm ist, und einen Opel Kombi zu fahren, einen roten Opel Kombi, und damit Patrick vom Handballtraining abzuholen und Stefan vom Blockflötenvorspiel in der Aula und Christian ins Krankenhaus zu bringen und die Ferien am Gardasee zu verbringen und dort so ein kleines, schlecht verstecktes Ristorante zu finden, wo es auch wirklich keine Touristen hast, nein weißt, Du, wirklich keine Touristen, nur Einheimische, solche vom Wetter zerfurchte Eingeborenengesichter, die da in einer dunklen Ecke an ihrem Rotwein nippen und Dich mürrisch grüssen, so ein Ristorante, in dem sie Dir für einen Teller Spaghetti alla Regione ein paar Taler mehr verrechnen, weil Du die Preise natürlich nicht kennst, und Du lächelst gutmütig, weil Du das natürlich weißt mit den überhöhten Preisen und es Dir natürlich egal ist, weil doch der Wein auch so grottenschlecht schmeckt, und natürlich lächelst Du auch jetzt gutmütig, und Du sagst nicht viel, und irgendwie sagst Du nicht gerade viel, jetzt, schade irgendwie, und ich stehe da und schüttle Dich und und schreie, warum zum Teufel es eigentlich DIE Schweiner-ei heissen muss, wenn es doch auch DAS Hühner-ei heisst, und wo eigentlich all die verdammten Knabbereien geblieben sind und die Mädchen und die Blumen und diese kleinen Schlumpffiguren, diese hässlich-blauen zum Sammeln, mit dem Gartenbau-Schlumpf und dem Taugenichts-Schlumpf und dem Papaschlumpf, der mit dem Bart da, was ist mit denen, bitteschön? Wo sind die in Gottes Namen geblieben und überhaupt, was geht denn hier eigentlich ab? Was ist denn hier eigentlich los? Frage ich Dich, was denn das bitteschön sein soll, all das Lila? Ist ja alles lila hier, sowas geht doch nicht, also sowas geht doch nicht an, also sowas geht doch Dich nichts an, schreie ich, so viel lila Farbe, das geht doch nicht. Soviel lila Farbe das geht doch nicht auf! So viel lila Farbe, das geht doch auf keine Kuhhaut drauf! Dass alles sage und schreie ich und ich stehe da, vor Dir, und Du, Du stehst da, vor mir, und Du sagst, nichts. Ist vielleicht auch besser so.




dein feedback zum text (direkt an die/den autorIn):
name
e-mail

Leserbrief im Forum schreiben...


zurück zur Übersicht

Geschichten
Grossmütter sind toll
Monolog mit Adolf Hitler

Gedichte
Langeweile im Freibad
auf die tage
ja aber hallo
schubidu

story.ch mithilfe von google.com ganz einfach durchsuchen...


story.ch Newsletter

E-Mail

... und hier das Archiv der Newsletter zum Ansehen.

(Der story.ch Newsletter kann jederzeit abbestellt werden - mit dem angemeldeten Absender eine E-Mail senden.)


story.ch präsentiert: Mein|Eid, das neueste Büchlein von Patrick Armbruster. Für nur noch 7 Franken!


story.ch ist die Plattform für elektronische Verbreitung literarischer Werke junger AutorInnen. Die Themen reichen von Alltagsgrau, urbanem Leben über Liebe, Leidenschaft, Erotik bis hin zu fantastischen Märchen.

©1997-2009 by Patrick Armbruster & story.ch, die grösste Schweizer Online-Literaturplattform